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Referent Christopher Fellinger

Den Begriff Schlagzeug verbindet man meist mit den Eigenschaften „laut“, „wild“, „ungezähmt“. Daher überrascht es, wenn der Percussionist Christopher Fellinger als wichtigen Begriff „langsam“ nennt. In seinem Vortrag „Natural Rhythmic Flow“ geht es um Körper und Geist in Raum und Zeit – aus der Sicht eines Percussionisten. Die Teilnehmer dürfen auch eine Body-Percussion erwarten – wir freuen uns darauf!

Christopher Fellinger

Christopher Fellinger, Perkussionist, lebt und arbeitet in München. Er studierte Schlagzeug am Hermann-Zilcher-Konservatorium in Würzburg und am Drummer’s Focus in München. Seit 2001 unterrichtet er, unter anderem am Rhabanus-Maurus-Gymnasium in St. Ottilien, am Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering, sowie für den Musikverein Türkenfeld. Momentan hat er 50 Schüler im Alter von 5 bis 50 Jahren. Er war Mitglied der Gauklerformation „Firlefanz“ und Gründer des „Force de-Frappe-Progressive Percussion Project“. Als Komponist und Arrangeur schreibt er vor allem Percussion- und Theater-Musik. Neben dem Index 4 Percussion Quartett und der Tollhaus Theater Compagnie wirkt er noch in verschiedenen Orchestern und Ensembles mit. Er konzipiert und leitet Percussion-Workshops. Zudem ist er Initiator mehrerer Jugend-Percussion-Ensembles, momentan coacht er fünf. Das bislang bekannteste der Ensembles die Hexagon-Percussion performt seit nun mehr als zehn Jahren, erfolgreich und vielseitig in ausverkauften Konzertsälen.  2016 waren die jungen Musiker für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Herr Fellinger, seit wann kennen Sie die Matrix-Rhythmus-Therapie und was sind Ihre Erfahrungen?

Die Matrix-Rhythmus-Therapie habe ich 2010 kennengelernt und habe sehr gute Erfahrungen damit. Es gibt typische Musikerprobleme, dazu gehören im speziellen Halswirbelprobleme. Ich habe mir schon einmal zwei Wirbel gegeneinander ausgerenkt. Bei Perkussionisten kommen dann noch typischerweise Verkrampfungen und Verspannungen am Rücken dazu. Wenn ich mit der Matrix-Rhythmus-Therapie behandelt werde, werde ich wieder auf den Nullpunkt vibriert. So fühlt sich es an, was ich sehr gut finde. Ich sollte das viel öfter tun.

Die Verspannungen von vielen Musikern haben aber auch überwiegend mit Stress und Druck zu tun. Zum Beispiel der Druck in einem Orchester zu spielen, der ist enorm groß. Eineinhalb Proben dann muss das Stück zur Aufführung sitzen. Viele Fehler darf man sich da nicht erlauben, wenn man wieder engagiert werden will. Noch höher ist der Stress natürlich für Solisten. Da sitzen hunderte Menschen im Saal, die haben Eintritt bezahlt, und so heißt es da: Jetzt zählt es!

Ihr Vortrag auf dem Kongress heißt „Natural Rhythmic Flow“. Was ist der „Natural Rhythmic Flow“ und welche Parallelen sehen Sie zur Matrix-Rhythmus-Therapie?

Nehmen wir als Beispiel das Trommeln. Es kommt nicht auf den Trommelschlag an, sondern auf den Weg zum Schlag. Wenn ich nicht entspannt bin, mich somit unnatürlich bewege, dann wird sich das Ergebnis künstlich anhören. Ich kann dann keinen natürlichen Rhythmus aus dem Raum heraus aufbauen. Ganz anders, wenn ich mich natürlich, das heißt entspannt, im Raum bewege, dann kommt es zu einem natürlichen Rhythmus, nach natürlichen Gesetzmäßigkeiten. Bewegung im Raum und die Zeit sind voneinander abhängig. So entsteht Rhythmus.

Ich habe jede Woche mit 50 Schülern und 5 Ensembles zu tun. Jeder ist anders drauf. Körperlich wie geistig. Es ist sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Leute sind. Bei Manchen sind diese rhythmischen Gesetzmäßigkeiten sofort da, und Andere muss man wieder in die Spur bringen. Hier ist ganz klar eine Parallele zur Matrix-Rhythmus-Therapie: Etwas wieder in Schwingung zu bekommen und Durchlässigkeit für Körper und Geist zu erreichen.

Können Sie uns hier noch weitere Beispiele nennen, wie Menschen Rhythmus unterschiedlich erzeugen bzw. empfinden?

Als Juror des Bayerischen Musikerbundes und „Jugend musiziert“, da höre ich immer wieder die gleichen Stücke, die von verschiedenen Menschen vorgetragen werden. Das ist eine Studie für sich hier zu beobachten, wie die einzelnen Musiker sich im Raum bewegen, wie sie empfinden und vor allem wie unterschiedlich sich dann dasselbe Stück anhört. Teilweise erlebe ich bei solchen Wettbewerben oder auch im Unterricht, dass ein 5jähriger so gut spielt, dass man den Atem anhält vor Ehrfurcht. Reiner Raum, reine Zeit, reine Energie. Und andererseits ein Älterer, der schon lange spielt, kann enorme Schwierigkeiten haben, einen solchen Zugang zubekommen. Dieser Zugang hat mit Vagus zu tun, beziehungsweise Parasympathikus versus Sympathikus. Der 5jährige ist so entspannt, so sehr im Vagus, das merkt er noch nicht einmal. Dafür sind andere – und das ist leider die gängige europäische Auffassung von Musik, oder besser gesagt, wie Musik hier erzogen wird – gefangen in ihrer Ratio, im Sympathikus. Dabei stehen die Noten im Fokus – nicht die Körperlichkeit. Und das hört man sofort.

Und noch eine Verbindung sehe ich zu den Teilnehmern des Matrix Kongresses. Ich fühle mich manchmal mehr wie ein Bewegungstherapeut als wie ein Musiklehrer. Ich bekomme das jede Woche auf dem goldenen Tablett serviert. Ich habe auch hyperaktive Kinder, Legastheniker, manche haben rechts-links-Koordinationsschwierigkeiten. Hier geht es immer um das große Reset. Um die Zuordnung der Trommelschläge, um die Ordnung der Zeit – das ist eine sehr gute Erfahrung für die Kinder. Sie räumen sich selbst auf.

Wie gelingt das sich selbst aufräumen? Sich selbst ordnen?

Einer der Schlüsselsätze meiner eigenen Ausbildung war „Wir spielen hier nicht die Reise nach Jerusalem“. Jeder Schlag hat bereits im Vorfeld seinen Platz. Die Plätze sind da, man muss sie nur sichtbar machen. Es ist keine Eile oder kein Verzögern nötig. Selbst bei einem schnellen Stück, sollte man sich nicht beeilen oder anstrengen. Hier ist nur die Verteilung der Schläge etwas dichter. Es geht im wesentlich darum im Jetzt zu sein.

Ich sage meinen Schülern oft, aufwachen, wir sind hier nicht in der Schule! Es geht nicht um Leistung. Das Tun ist nicht erst etwas wert, wenn es anstrengend ist – und wie heißt das Zauberwort im Schlagzeug? Das Zauberwort heißt: Langsam.

Manche, die auf der Überholspur sind, wissen teilweise nach 20 Mal Wiederholen immer noch nicht, was sie da machen. Erst im Langsamen spürt und erkennt man den Raum und die Ordnung. Der Geist hat die Chance, alles mitzubekommen. Diese Ordnung ist das Feedback an sich selbst. Nach dem zweiten Mal langsam, hat man sich meistens aufgeräumt und geordnet, und hat das Aha-Erlebnis.

Einige können zum Beispiel nicht mit einem Metronom zu einem Klick spielen. Das hat nichts mit Begabung zu tun. Sie sind entweder vor oder nach dem Klick, meistens sind sie davor. Denn ihr Kopf ist meistens früher dran. Immer gleich im Wollen – so wie auch unsere Gesellschaft tickt.

Es macht mir richtig Freude, wenn ich sehe, dass das verstanden und gelebt wird, was ich versuche mitzugeben. Ich begleite Schüler oft über zehn Jahre und mehr. Den Einfluss, den dieser Flow auf das Leben der Schüler hat, das Feedback, das ich von Schülern und ihren Eltern bekomme, das ist mir eine große Freude.

In Ihrem Vortrag heißt es Natural Rhythmic Flow in Theorie und Praxis. Bedeutet das, dass Sie auch einen praktischen Teil mit den Teilnehmern machen?

Ja, ich habe vor Body-Percussion zu machen. In zwei Gruppen werden wir schon etwas komplizierter trommeln und wir werden sehen, was dann passiert. Hier können wir praktisch erleben, was Rhythmus ist und warum Bewegung, Raum und Zeit so wichtig sind.

Und ich werde ein paar Beispiele demonstrieren, damit die Teilnehmer selbst erfahren und hören können, was einen gut klingenden Rhythmus ausmacht und wie das eigene Körperempfinden dabei ist. Ein Schlagzeuger hat nicht nur das Schlagzeug, auf dem er trommelt und die Sticks, die er in der Hand hat. Sein Körper ist Teil des Instruments.

Kontakt:

chris_fellinger@t-online.de

Publikationen: Überwiegend erschienen bei C. Alan Publications